UNSERE KIRCHE, 10.09.2000
Vikariatskurs
lädt ein zur Podiumsdiskussion
zur Reformvorlage 2000
Rechtsunsicherheit
bei der Vikariatsausbildung
Schwerte
- Auf eine "diffuse Ausbildungssituation" und eine große
Rechtsunsicherheit haben die Vikare des Kurses "Caeserea"
bei einer Podiumsveranstaltung zum Reformpapier "Kirche mit
Zukunft" hingewiesen: Seit einem Jahr befinden sich 28 jungen
Theologen in ihrer praktischen Ausbildung ohne zu wissen, nach welchen
Kriterien ein Drittel des Jahrgangs am Ende aussortiert wird.
Denn nicht nur, dass alle Vikare bereits vorher ein Assessment-Center-Verfahren
durchlaufen und bis zu dreieinhalb Jahre auf ihr Vikariat gewartet
haben: Der Kurs "Caeserea" ist der erste, aus dem sich
nicht alle Teilnehmer für den Probedienst bewerben dürfen.
Für ein Drittel der dann 31- bis 45 jährigen Theologen
droht ein "Berufsverbot", wie es Christoph Ernst, Vikar
in Dortmund-Schüren, ausdrückte: "Es erfolgt ein
administrativer Ausschluss vom Erprobungsdienst, anstatt uns die
Möglichkeit zur freien Bewerbung zu geben."
All zu gerne würde der Nachwuchs aber das in die Kirche tragen,
was das Strukturpapier anregt: Mitgliederorientierung, Qualitätssicherung
oder Personalentwicklung sind für diese Theologen-Generation
keine Fremdwörter. Sie wurden selber für den kirchlichen
Dienst auf diese Fähigkeiten geprüft (Assessment) und
haben in der Zwischenzeit in der freien Wirtschaft selbstverständlich
damit umzugehen gelernt. "Nach drei Jahren in der freien Wirtschaft
bin ich entsetzt über Strukturen und Stillstand in dieser Kirche",
machte sich in mehreren Voten Enttäuschung breit.
Nach der Meinung von Superintendent Alfred Buß (Unna) muss
mit dem Vikariat ein Berufsabschluss verbunden sein, der Arbeitsplatzmöglichkeiten
in der ganzen EKD und im Ausland ermöglicht. Da Anstellungsfähigkeit
und Ordination erst später erfolgen, aber in anderen Kirchen
in der Regel verlangt werden, eröffnet das abgeschlossene Vikariat
keine Anstellungschancen außerhalb Westfalens.
Günter Böhm, langjähriger Leitender Regierungsschuldirekter,
zog Vergleiche zur Lehrerausbildung: "Schulen schreiben Stellen
aus, auf die sich alle Absolventen mit Zweitem Examen können.
Warum schafft die Kirche das nicht?"
Wenn sich eine Bewerbungsfähigkeit für alle nicht durchsetzen
lässt, bleibt weiterhin die Frage nach den Kriterien für
die Auswahl. Astrid Niemöller vom Vorstand des Kleinen Konvents
der Vikare: "Es sollte nicht nur die Note des Zweiten Examens
ausschlaggebend sein." Doch "qualifizierte Beurteilungsbögen"
wie bei vorherigen Jahrgängen wird es für den Kurs "Caeserea"
nicht geben, wie Hans-Martin Lübking, Leiter des Pädagogischen
Instituts, gegenüber "Unsere Kirche" betonte. Diese
Art der Beurteilung hätte sich nicht als sinnvoll erwiesen.
Eine Alternative scheint nicht in Sicht, doch schon in einem Jahr
steht die Entscheidung über den beruflichen Verbleib der jungen
Theologen an. (dk)
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Ruhr
Nachrichten, 19.08.2000
Vikariatskurs
wehrt sich gegen Personalpolitik /
Podiumsdiskussion mit Superintendenten sollte offene Fragen klären
Pfarrer-Nachwuchs
droht nach "Lehrjahren" das Aus
Von
DANIEL RADEMACHER
Schwerte
- Qualitätssicherung und Mitgliederorientierung - Schlagwörter,
die Unternehmen der freien Wirtschaft schon seit Jahren beschäftigen,
haben auch in der Evangelischen Kirche von Westfalen Einzug gehalten.
Doch gerade die Berufseinsteiger dieser "Zunft" werden
wohl künftig am meisten unter dem Reformstreben leiden. Die
Mitglieder des Vikariatskurses Caesarea (Castrop-Rauxel) wehren
sich gegen die geplante Personalpolitik der Kirchenleitung, nach
der dem Pfarrer-Nachwuchs nach jahrelangem Studium unter Umständen
sogar das berufliche Aus droht.
Eine
Podiumsdiskussion im Haus Villigst in Schwerte sollte Antworten
auf die dringenden Fragen des Vikariatskurses bringen. Zwei Superintendenten
und führende Kräfte, die an der erst kürzlich erschienen
Reformvorlage für die Landeskirche mitgewirkt haben, waren
der Einladung in die Ruhrstadt gefolgt. Ein Drittel des Kurses soll
nach Planungen des Landeskirchenamtes nach Beendigung des Vikariats
nicht in den Probedienst übernommen werden.
Die
Krux dabei liegt im Kirchenrecht: "Ohne das Zeugnis der Anstellungsfähigkeit,
das während des Probedienstes erteilt wird, haben wir keine
Chance, uns für eine andere Pfarrstelle in einer anderen Landeskirche
zu bewerben", so Holger Dirks, Theologe im Vikariatskurs Caesarea.
"Wir haben sehr viele Zusatzquallfikationen erworben und wollen
zumindest die Möglichkeit haben, in die berufliche Konkurrenz
zu treten", betonte seine Kollegin Astrid Niemöller. In
seinen Ausführungen wies Hartmut Anders- Hoepgen, Superintendent
des Kirchenkreises Dortmund-West, darauf hin, dass das jetzige Kirchenprofil
in vielen Bereichen einem Kasten-System entspräche. "Das
Profil des Pfarrerbildes muss unbedingt geklärt werden",
steht für den Theologen an erster Stelle.
Die
Diskussion wich schnell von der eigentlichen Fragestellung ab und
entwickelte sich zu einem bunten Katalog über die Probleme
der Institution Landeskirche. "Diese Kirche hat es verschlafen,
die aktuellen Trends zu erkennen", nahm der Unnaer Superintendent
Alfred Buß kein Blatt vor dem Mund. Ihr Ziel, sich als Vikare
in die Diskussion zu bringen und auf diese Art etwas zu bewegen,
sahen die Nachwuchs- Theologen verwirklicht. Vikarin Astrid Niemöller:
"Wir haben trotz der vielen Dämpfer seitens der Kirche
eine riesige Motivation mitzuarbeiten."
Ruhr
Nachrichten, 19.08.2000.
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Als Gäste
auf dem Podium haben teilgenommen:
- Hartmut
Anders Hoepgen,
Superintendent des Kirchenkreises Dortmund-West,
Vorsitzender der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund,
Leiter der Projektgruppe III (Kirchenbild - Pfarrbild - Mitarbeiterentwicklung)
von "Kirche mit Zukunft"
- Günter
Böhm,
Vorsitzender des EKD-Bildungsausschusses, Honorarprofessor für
Religionspädagogik,
Leitender Regierungs-Schuldirektor a.D.,
Gründer der Bildungsoffensive "Evangelisches Forum Münster"
- Alfred
Buß,
Superintendent des Kirchenkreises Unna,
Leiter der Projektgruppe I (Kirchengemeinde und Kirchenkreise) von "Kirche
mit Zukunft"
- Christoph
Ernst,
Vikar in Dortmund-Schüren,
Mitglied im Kleinen Konvent der Vikarinnen und Vikare der EKvW
- Christa
Thiel,
Pfarrerin in Dortmund,
EKvW-Beauftragte für den privaten Rundfunk,
Mitglied im Vorstand des Pfarrvereins der EKvW
- Christel
Weber,
Pfarrerin in Borchen,
Mitglied der Projektgruppe III (Kirchenbild - Pfarrbild - Mitarbeiterentwicklung)
von "Kirche mit Zukunft"
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