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Leserbrief von Roland Rosenstock in UK 37 / 2000


 

Um den Pfarrernachwuchs steht es schlecht! Die Zahl der Theologiestudenten an den Fakultäten ist dramatisch gesunken: in wenigen Jahren um mehr als 50 Prozent. Deshalb kommt im Kirchenamt der EKD jetzt die Frage auf den Tisch: Warum entscheiden sich junge Menschen nicht mehr für den Pfarrberuf?
Das Problem ist hausgemacht: In Westfalen hat man jahrelang über Bedarf ausgebildet, dann die Rücklagen für den Pfarrernachwuchs in den Aufbau der Kirchen in Ostdeutschland gesteckt; vor drei Jahren das ohnehin schmale Einkommen der meist jungen Familien auf das Existenzminimum zusammengekürzt; und zuletzt legte man den Schlüssel für den Eintritt ins Vikariat auf 50 Prozent der Examinierten.


Und nun gibt man dem handverlesenen "Rest" das Gefühl: Wir wollen Euch gar nicht! Wieder müssen 30 Prozent die Segel streichen. Und wer Aussicht auf Weiterbeschäftigung hat, der soll noch einmal warten. Aber dann: wieder Gehaltsverzicht und noch immer kein Recht, sich bei den Gemeinden zu bewerben.
Das Drittel der Vikare aber, das aus Kostengründen "freigesetzt" wird, erhält nicht einmal einen qualifizierten Berufsabschluss, um sich anderswo als Pfarrer auf dem "freien Markt" zum Beispiel in der Diakonie, bewerben zu können: Es geht um die Ordination! Die Bestätigung, nach erfolgreichem Abschluss für die öffentliche Verkündigung befähigt zu sein, wird ihnen verwehrt, aus juristischen Gründen. Zu nichts anderem aber qualifiziert das Vikariat.

Diffuse Ausbildungssituation? Nein. Es geht um mehr: Die jungen Menschen wollen nicht mehr Pfarrer werden, weil sie es nicht können, weil ihnen trotz steigender Qualifikation der Zugang in den Beruf systematisch verwehrt wird. Und wer sollte ihnen in Westfalen auch dazu raten - mit gutem Gewissen?


Zumindest in Bayern hat man dieser Tage umgedacht: Bei den Abiturienten soll wieder geworben werden. Berufsperspektive und Vertrauen in den Arbeitgeber "Kirche" stehen wieder an oberster Stelle der Personalplanung. Übernahme nach bestandenem Examen: 90 Prozent. Keine Wartezeiten. Das Einkommen der Vikare dem Familienstand und Alter angemessen. Als Alleinverdiener mit Kind über 34 Jahren alles in allem 3200 Mark (brutto); immerhin ein Tausender (!) mehr als in Westfalen. Und warum? Weil man die Statistik lesen kann. Und die sagt: Es fehlt schon jetzt der geistliche Nachwuchs für die "Kirche der Zukunft"
Roland Rosenstock, München.