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Sehr verehrter Herr
Präses, hohe Synode!
In den letzten Jahren
sind in unserer Landeskirche einschneidende Schritte in der Personalplanung
gemacht worden.
Qualitätssicherung
- das ist das Stichwort. Nur die Besten sollen weiterkommen. Qualitätssicherung
- eigentlich ist das die freundliche Umschreibung dafür, daß die Personalplanung
jahrelang in die falsche Richtung gelaufen ist und daß wir Theologinnen
und Theologen es heute ausbaden müssen. Das eigentliche Ziel dahinter
heißt ganz anders, nämlich: Personalkosten sparen.
Um Personalkosten
zu sparen hat sich die Synode dazu durchgerungen, bei der jungen Theologenschaft
den Schnitt anzusetzen. Der erste Schnitt ist groß - er beträgt 50% gleich
nach dem Ersten Examen! 50% der Theologinnen und Theologen wird der Weg
ins Vikariat eröffnet, die anderen 50% stehen vor dem Nichts. Vor ihnen
steht der Weg in die Umorientierung, in die Umschu-lung, in die Arbeitslosigkeit.
Die anderen 50%
dürfen den kirchlichen Weg weiter gehen. Sie haben eine entscheidende
Hürde genommen, [um ihrem Berufsziel, ihrer Berufung näherzukommen.] Aber
nur eine! Sie bekommen die Zusage, das Vikariat antreten zu dürfen, -
aber das erst nach einer langen Wartezeit. 3-4 Jahre müssen sie auf das
Vikariat warten. Eine zusätzliche Belastung, die Sie, sehr verehrte Synodale,
mildern könnten. Und das mit einfachen Mitteln. Der Vertreter der Studierenden
hat Ihnen ein Modell vorgestellt, wie die Wartezeit um ein Jahr verringert
werden kann. Wir Vikarinnen und Vikare unterstützen seinen Vorschlag und
wir bitten Sie, dies auch zu tun.
Aber zurück zu den
verbleibenden 50%. Nach 3-4 Jahren dürfen sie endlich das Vikariat antreten.
Und sie erhalten dort eine gute Ausbildung. Die neue Ausbildung stellt
eine große Verbesserung dar. Sie zielt besonders auf die Vertiefung der
Kompetenzen Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Streßfähigkeit.
Aber sie ist eine Ausbildung, die nicht dafür gedacht war, daß bei ihren
Absolventen ein zweiter Schnitt gemacht wird.
Wenn überall ein
ständiger Beurteilungsdruck herrscht, das kann ich aus eigener Erfahrung
sagen, dann sind Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit Qualitäten,
die nur mit enormem Kraftaufwand gezeigt werden können. Und stressig ist
die neue Ausbildung ohnehin, dafür braucht es nicht noch das Gefühl, das
am Ende jeder Dritte auf der Strecke bleibt.
Und zu diesen Belastungen
kommt noch eine weitere: Unser Zweifel, der mittlerweile gegen unsere
Landeskirche gerichtet ist. Und der ja durchaus nicht grundlos ist.
Alle, die wir derzeit
im Vikariat sind, haben studiert in der Zuversicht auf die mehrfach erteilte
Zusage, daß wir den Pfarrberuf antreten werden - vielleicht mit Dreiviertel-Stellen,
vielleicht nur mit A 12 aber wir alle! Auf diese Zusage haben wir vertraut,
aber inzwischen ist dieses Vertrauen Zweifel und Fragen gewichen: Sind
wir Jungen für unsere Landeskirche mehr Ballast als hoff-nungsvoller Nachwuchs?
Sind wir eigentlich gewollt oder nur ein Finanzierungsproblem?
Gegenwärtig durchlaufen
die Vikarinnen und Vikare des C-Kurses die Ausbildung mit der permanenten
Frage im Kopf, gehöre ich zu dem Drittel, das als Ballast aussortiert
wird? Die Theologinnen und Theologen des C-Kurses haben sich dazu entschlossen,
sich trotz dieser Belastung die Motivation für den Wunschberuf und die
Solidarität untereinander zu bewahren. Sie wollen dafür kämpfen, daß jede
und jeder von ihnen in dieser Kirche eine Chance bekommt. Ordination und
Anstellungsfähigkeit für alle, das ist die Forderung des C-Kurses, die
wir Vikarinnen und Vikare der anderen Vikariatskurse unterstützen.
Die angebliche Qualitätssicherung,
wie sie gegenwärtig in der EKvW geschieht, bedeutet in Zahlen, daß von
100 Theologinnen und Theologen 67 in die Arbeitslosigkeit geschickt werden;
bedeutet, daß sich die Besten angesichts der nur 33prozentigeln Chance
besser frühzeitig umorientieren sollten.
Die Zahlen sind erschreckend
- für uns sowieso, aber erschreckend müßten sie auch für Sie als Synodale
sein. Denn jeder Theologe, jede Theologin, die von der Kirche entgegen
früherer Versprechen auf die Straße gesetzt wird, bedeutet einen enormen
Imageschaden für die Kirche, das haben Umfragen in der Landeskirche Hannover
eindeutig gezeigt.
Und dieser Imageschaden
müßte nicht sein, genausowenig wie der große zweite Schnitt, der über
den Vikaren und Vikarinnen des C-Kurses schwebt.
Gespart werden muß
in unserer Kirche, das wissen wir auch. Und wir wissen auch, daß Pfarrerinnen
und Pfarrer und die Kirchenkreise dafür bereits Opfer bringen. Doch es
gibt Möglichkeiten, mit dem eingeschlagenen Sparkurs fortzufahren und
gleichzeitig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Denn Arbeit ist genug für
alle da.
Vier mögliche Wege
dazu möchte ich Ihnen jetzt nennen. Wenn die Landeskirche solche Wege
beschreitet, würde uns das zeigen, unsere Kirche nimmt eine Verantwortung
für uns wahr, die über die Einrichtung eines Solidaritätsfonds hinausgeht.
1. Die freiwillige
Vorruhestandsregelung. Weit mehr Pfarrer als die Kirchenleitung erwartet
hat sind in den Ruhestand gegangen, um jungen Theologinnen und Theologen
Arbeitsmöglichkeiten zu eröffnen. Ist es nicht möglich, daß diese Regelung
noch ein paar Jahre weiterlaufen kann? Ist es nicht möglich, sie in ein
paar Jahren zu ersetzen durch einen freiwilligen Vorruhestand mit verminderten
Bezügen?
2. Die Sabbatregelung,
die als Beschlußvorlage vorliegt. Nach einigen Dienstjahren können Pfarrerin
und Pfarrer ein Jahr aussetzen. Ein Jahr, in dem Arbeitskapazität frei
wird für Pfarrerinnen und Pfarrer im Entsendungsdienst.
3. Arbeitsteilung
bei Pfarrstellen, die vermehrte Schaffung von 50 % -oder 75 % Pfarrstellen
- könnten Gemeinden nicht eindringlicher auf diese Möglichkeit hingewiesen
werden?
Und 4. eine verbesserte
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, wie es sie in anderen Landeskirchen
schon gibt. Vor allem Bayern und Württemberg sind in dieser Hinsicht zu
nennen. Wirtschaftsunternehmen übernehmen für eine Zeit von 1-2 Jahren
große Teile der Gehälter für einige Pfarrerinnen und Pfarrer im Entsendungsdienst,
die sie im Personalbereich, im Management oder im Sozialwesen einsetzen.
Ein Gewinn für alle
Beteiligten:
- die Unternehmen bekommen qualifizierte Mitarbeiter, für die sie nur
einen Teil des Gehaltes zahlen müssen.
- Theologinnen, Theologen erhalten zusätzliche Kompetenzen, die sie in
der Kirche wie in der Wirtschaft einsetzen könnten.
- und die Kirchen haben einen Image-Gewinn durch die Vorreiterrolle, die
sie durch solche innovativen Modelle in unserer Gesellschaft einnehmen.
Es gibt viele solcher
Wege, wie Arbeitsplätze geschaffen werden können, ohne vom Sparkurs abzugehen.
Einige werden von unserer Landeskirche begangen. Andere, innovative Wege,
wie die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, leider nicht.
Beschreiten wir
in Zukunft solche Wege, dann könnte den Vikarinnen und Vikaren des C-Kurses
und aller Kurse danach der zweite große Schnitt erspart werden.
Deshalb möchte Sie
zum Schluß bitten: Erteilen Sie der Kirchenleitung einen Arbeitsauftrag.
Erteilen Sie ihr den Auftrag, bis zur nächsten Synode alternative Modelle
für die berufliche Perspektive von jungen Theologinnen und Theologen zu
suchen, zu prüfen und das Ergebnis auf der nächsten Synode vorzulegen.
Tun Sie es in dem
Gefühl der Verantwortung für die jungen Theologinnen und Theologen.
Ich danke Ihnen
für Ihre Aufmerksamkeit.
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