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Rede der Vertreterin des Kleinen Konvents,
Sabine Lehmann, auf der Landessynode am 01.11.99

 

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Sehr verehrter Herr Präses, hohe Synode!
In den letzten Jahren sind in unserer Landeskirche einschneidende Schritte in der Personalplanung gemacht worden.
Qualitätssicherung - das ist das Stichwort. Nur die Besten sollen weiterkommen. Qualitätssicherung - eigentlich ist das die freundliche Umschreibung dafür, daß die Personalplanung jahrelang in die falsche Richtung gelaufen ist und daß wir Theologinnen und Theologen es heute ausbaden müssen. Das eigentliche Ziel dahinter heißt ganz anders, nämlich: Personalkosten sparen.
Um Personalkosten zu sparen hat sich die Synode dazu durchgerungen, bei der jungen Theologenschaft den Schnitt anzusetzen. Der erste Schnitt ist groß - er beträgt 50% gleich nach dem Ersten Examen! 50% der Theologinnen und Theologen wird der Weg ins Vikariat eröffnet, die anderen 50% stehen vor dem Nichts. Vor ihnen steht der Weg in die Umorientierung, in die Umschu-lung, in die Arbeitslosigkeit.
Die anderen 50% dürfen den kirchlichen Weg weiter gehen. Sie haben eine entscheidende Hürde genommen, [um ihrem Berufsziel, ihrer Berufung näherzukommen.] Aber nur eine! Sie bekommen die Zusage, das Vikariat antreten zu dürfen, - aber das erst nach einer langen Wartezeit. 3-4 Jahre müssen sie auf das Vikariat warten. Eine zusätzliche Belastung, die Sie, sehr verehrte Synodale, mildern könnten. Und das mit einfachen Mitteln. Der Vertreter der Studierenden hat Ihnen ein Modell vorgestellt, wie die Wartezeit um ein Jahr verringert werden kann. Wir Vikarinnen und Vikare unterstützen seinen Vorschlag und wir bitten Sie, dies auch zu tun.
Aber zurück zu den verbleibenden 50%. Nach 3-4 Jahren dürfen sie endlich das Vikariat antreten. Und sie erhalten dort eine gute Ausbildung. Die neue Ausbildung stellt eine große Verbesserung dar. Sie zielt besonders auf die Vertiefung der Kompetenzen Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Streßfähigkeit. Aber sie ist eine Ausbildung, die nicht dafür gedacht war, daß bei ihren Absolventen ein zweiter Schnitt gemacht wird.
Wenn überall ein ständiger Beurteilungsdruck herrscht, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dann sind Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit Qualitäten, die nur mit enormem Kraftaufwand gezeigt werden können. Und stressig ist die neue Ausbildung ohnehin, dafür braucht es nicht noch das Gefühl, das am Ende jeder Dritte auf der Strecke bleibt.
Und zu diesen Belastungen kommt noch eine weitere: Unser Zweifel, der mittlerweile gegen unsere Landeskirche gerichtet ist. Und der ja durchaus nicht grundlos ist.
Alle, die wir derzeit im Vikariat sind, haben studiert in der Zuversicht auf die mehrfach erteilte Zusage, daß wir den Pfarrberuf antreten werden - vielleicht mit Dreiviertel-Stellen, vielleicht nur mit A 12 aber wir alle! Auf diese Zusage haben wir vertraut, aber inzwischen ist dieses Vertrauen Zweifel und Fragen gewichen: Sind wir Jungen für unsere Landeskirche mehr Ballast als hoff-nungsvoller Nachwuchs? Sind wir eigentlich gewollt oder nur ein Finanzierungsproblem?
Gegenwärtig durchlaufen die Vikarinnen und Vikare des C-Kurses die Ausbildung mit der permanenten Frage im Kopf, gehöre ich zu dem Drittel, das als Ballast aussortiert wird? Die Theologinnen und Theologen des C-Kurses haben sich dazu entschlossen, sich trotz dieser Belastung die Motivation für den Wunschberuf und die Solidarität untereinander zu bewahren. Sie wollen dafür kämpfen, daß jede und jeder von ihnen in dieser Kirche eine Chance bekommt. Ordination und Anstellungsfähigkeit für alle, das ist die Forderung des C-Kurses, die wir Vikarinnen und Vikare der anderen Vikariatskurse unterstützen.
Die angebliche Qualitätssicherung, wie sie gegenwärtig in der EKvW geschieht, bedeutet in Zahlen, daß von 100 Theologinnen und Theologen 67 in die Arbeitslosigkeit geschickt werden; bedeutet, daß sich die Besten angesichts der nur 33prozentigeln Chance besser frühzeitig umorientieren sollten.
Die Zahlen sind erschreckend - für uns sowieso, aber erschreckend müßten sie auch für Sie als Synodale sein. Denn jeder Theologe, jede Theologin, die von der Kirche entgegen früherer Versprechen auf die Straße gesetzt wird, bedeutet einen enormen Imageschaden für die Kirche, das haben Umfragen in der Landeskirche Hannover eindeutig gezeigt.
Und dieser Imageschaden müßte nicht sein, genausowenig wie der große zweite Schnitt, der über den Vikaren und Vikarinnen des C-Kurses schwebt.
Gespart werden muß in unserer Kirche, das wissen wir auch. Und wir wissen auch, daß Pfarrerinnen und Pfarrer und die Kirchenkreise dafür bereits Opfer bringen. Doch es gibt Möglichkeiten, mit dem eingeschlagenen Sparkurs fortzufahren und gleichzeitig neue Arbeitsplätze zu schaffen. Denn Arbeit ist genug für alle da.
Vier mögliche Wege dazu möchte ich Ihnen jetzt nennen. Wenn die Landeskirche solche Wege beschreitet, würde uns das zeigen, unsere Kirche nimmt eine Verantwortung für uns wahr, die über die Einrichtung eines Solidaritätsfonds hinausgeht.
1. Die freiwillige Vorruhestandsregelung. Weit mehr Pfarrer als die Kirchenleitung erwartet hat sind in den Ruhestand gegangen, um jungen Theologinnen und Theologen Arbeitsmöglichkeiten zu eröffnen. Ist es nicht möglich, daß diese Regelung noch ein paar Jahre weiterlaufen kann? Ist es nicht möglich, sie in ein paar Jahren zu ersetzen durch einen freiwilligen Vorruhestand mit verminderten Bezügen?
2. Die Sabbatregelung, die als Beschlußvorlage vorliegt. Nach einigen Dienstjahren können Pfarrerin und Pfarrer ein Jahr aussetzen. Ein Jahr, in dem Arbeitskapazität frei wird für Pfarrerinnen und Pfarrer im Entsendungsdienst.
3. Arbeitsteilung bei Pfarrstellen, die vermehrte Schaffung von 50 % -oder 75 % Pfarrstellen - könnten Gemeinden nicht eindringlicher auf diese Möglichkeit hingewiesen werden?
Und 4. eine verbesserte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, wie es sie in anderen Landeskirchen schon gibt. Vor allem Bayern und Württemberg sind in dieser Hinsicht zu nennen. Wirtschaftsunternehmen übernehmen für eine Zeit von 1-2 Jahren große Teile der Gehälter für einige Pfarrerinnen und Pfarrer im Entsendungsdienst, die sie im Personalbereich, im Management oder im Sozialwesen einsetzen.
Ein Gewinn für alle Beteiligten:
- die Unternehmen bekommen qualifizierte Mitarbeiter, für die sie nur einen Teil des Gehaltes zahlen müssen.
- Theologinnen, Theologen erhalten zusätzliche Kompetenzen, die sie in der Kirche wie in der Wirtschaft einsetzen könnten.
- und die Kirchen haben einen Image-Gewinn durch die Vorreiterrolle, die sie durch solche innovativen Modelle in unserer Gesellschaft einnehmen.
Es gibt viele solcher Wege, wie Arbeitsplätze geschaffen werden können, ohne vom Sparkurs abzugehen. Einige werden von unserer Landeskirche begangen. Andere, innovative Wege, wie die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, leider nicht.
Beschreiten wir in Zukunft solche Wege, dann könnte den Vikarinnen und Vikaren des C-Kurses und aller Kurse danach der zweite große Schnitt erspart werden.
Deshalb möchte Sie zum Schluß bitten: Erteilen Sie der Kirchenleitung einen Arbeitsauftrag. Erteilen Sie ihr den Auftrag, bis zur nächsten Synode alternative Modelle für die berufliche Perspektive von jungen Theologinnen und Theologen zu suchen, zu prüfen und das Ergebnis auf der nächsten Synode vorzulegen.
Tun Sie es in dem Gefühl der Verantwortung für die jungen Theologinnen und Theologen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.