Freie Bewerbungsfähigkeit für alle

Unter dem Motto "Wettbewerb statt Selektion" haben am Mittwoch, dem 12.April, 28 Vikarinnen und Vikare des Vikariatskurses "C" vor dem Landeskirchenamt in Bielefeld gegen die ungerechte Personalpolitik der Evangelischen Kirche von Westfalen mit Aktionen, Info- und Versorgungsständen und Musik protestiert. Neben den Vikarinnen und Vikaren waren auch Wartende sowie Eltern und an der Ausbildung beteiligte Mentoren anwesend. In Gesprächen erklärten interessierte Passanten und Angestellte des Landeskirchenamtes ihr Unverständnis darüber, dass sich nicht alle Vikarinnen und Vikare nach ihrer Ausbildung frei auf eine Stelle bewerben dürfen. Dies bleibt jedoch die Mindestforderung der Betroffenen, die am wenigsten Schuld an ihrer Misere haben.

Die ersten Pressereaktionen auf diesen Protest finden sie hier dokumentiert:

 

Theologinnen und Theologen demonstrieren vor dem Landeskirchenamt

In Sorge um ihre Zukunft

Bielefeld - Junge Theologinnen und Theologen aus Westfalen machen sich Sorgen um ihre berufliche Zukunft. Vor dem Landeskirchenamt in Bielefeld konfrontierten Vikarinnen und Vikare die Kirchenleitung mit ihren Problemen: Sie würden die ersten sein, für die im Jahr 2002 nach Vikariat und Zweitem Theologischen Examen ein Beschluss der Kirchenleitung aus dem vergangenen Jahr greift, wonach nur noch zwei Drittel der Vikarinnen und Vikare in den Probedienst als Pastorinnen und Pastoren übernommen würden.
Für mindestens acht der derzeit 28 Vikarinnen und Vikare würde damit ein langer Ausbildungsweg zu Ende gehen, ohne sich in Westfalen oder in einer anderen Landeskirche auf eine Pfarrstelle bewerben zu können. Voraussetzung für eine Bewerbung ist das Zeugnis der Anstellungsfähigkeit, das aber erst während des Probedienstes erteilt wird.
"Wir vertreten die Auffassung, dass allen Absolventinnen und Absolventen des Zweiten Theologischen Examens die Chance zur aktiven Bewerbung auf einem freien kirchlichen Stellenmarkt einzuräumen ist", heißt es in einer Erklärung der Vikarinnen und Vikare. Darin machen sie auch darauf aufmerksam, dass sie zu dem ersten Vikariatsjahrgang gehören, dessen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich nach dem Ersten Theologischen Examen einem Auswahlverfahren stellen mussten. Und nun stehe ihnen, so bedauern sie, nach dem Zweiten Theologischen Examen eine weitere Hürde auf dem beruflichen Weg bevor.
Bei eine Gespräch mit dem Ausbildungsdezernenten der westfälischen Landeskirche, Oberkirchenrat Dr. Peter Friedrich, erläuterten die Vikarinnen und Vikare ihr Zukunftssorgen. Friedrich erinnerte an Beschlüsse zur Personalplanung, die von der Kirchenleitung im Mai 1999 und von der Landessynode im November 1999 gefasst worden sind. Wie zu erfahren ist, stellte Friedrich in Aussicht, 20 der 28 Vikarinnen nach dem Zweiten Theologischen Examen im Jahr 2002 in den Probedienst zu übernehmen.
Damit bleibt, so Vikar Holger Gießelmann aus Bielefeld, die Ungewissheit, dass für einige von ihnen der lange und mühsame Weg ins Pfarramt zu Ende sein wird, wenn sie zwischen 31 und 45 Jahre alt sein werden.
Gießelmann weist gegenüber UK darauf hin, dass zu Beginn seines Theologiestudiums im Jahr 1989 der Eindruck vorherrschte, die Kirche brauche junge Theologinnen und Theologen. Wer vor elf Jahren Vikar war, konnte davon ausgehen, auch Pfarrer zu werden. Erst vor wenigen Jahren wurden Maßnahmen zur Personalplanung beschlossen, woraufhin die Zahl der Theologiestudentinnen und - studenten erheblich zurückging.
Die Vikarinnen und Vikare erwarten von Kirchenleitung und Synode eine grundlegende Korrektur ihrer Entscheidung, ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen nach dem Vikariat aus dem kirchlichen Dienst zu entlassen. Sie fordern, dass sich alle, die das Zweite Theologische Examen bestehen, für den pfarramtlichen Dienst bewerben können.
Oberkirchenrat Dr. Friedrich räumt ein, dass der nachwachsenden Theologengeneration sehr harte Belastungen zugemutet werden. "Der Weg, überhaupt in den pfarramtlichen Dienst zu kommen, ist ungleich schwerer und steiniger geworden", so der Ausbildungsdezernent der westfälischen Kirche.
Im vorigen Jahr sei 72 jungen Theologinnen und Theologen nach dem Ersten Theologischen Examen mitgeteilt worden, dass sie nicht ins Vikariat übernommen würden. Bis zum Beginn des Vikariats liegt eine Wartezeit von drei bis vier Jahren. Aber selbst nach Vorbereitungsdienst und der Zweiten Theologischen Prüfung könnte künftig nur etwa 20 der rund 30 Vikarinnen und Vikare pro Kurs der weitere Weg in den pfarramtlichen Probedienst eröffnet werden, erklärt Dr. Friedrich die Beschlüsse von Kirchenleitung und Synode. (U.W.)


Unsere Kirche 18, 30. April 2000


Vor dem Landeskirchenamt in Bielefeld machten Vikarinnen und Vikare auf ihre Situation aufmerksam.


, 13.April 2000
Proteste gegen das Aus als Pfarrer:
28 Vikarinnen und Vikare der Evangelischen Kirche von Westfalen wollen sich einem Auswahlverfahren zwar stellen - aber dann nicht das endgültige Aus für ihre Laufbahn als Pfarrer in Kauf nehmen.

 

Vikaren droht das Aus
für eine Stelle als Pfarrer
Protest gegen geplantes Auswahlverfahren

Bielefeld (big), Nein, eine Stellengarantie wollten sie gar nicht. Lediglich die Möglichkeit, sich überhaupt bewerben zu dürfen. Dafür gingen gestern 28 Vikarinnen und Vikare der Evangelischen Kirche von Westfalen auf die Straße - genau vor das Landeskirchenamt Bielefeld.

Sie seien der erste Kurs, dem nach zehn Jahren Studium und Wartezeit auf das Vikariat das endgültige Aus für eine Stelle als Pfarrerin oder Pfarrer in evangelischen Gemeinden droht. Und das noch bevor sie sie angetreten haben, erklärte gestern Kurssprecher Jochen Müller. Dieses Aus wäre zudem endgültig, "es gibt keinen alternativen Arbeitgeber für Pfarrstellen", so Müller.

Nach diesem Auswahlverfahren, das zum Ende des Vikariats anstünde, solle ein Drittel des Kurses noch einmal aussortiert - und aus dem Kirchendienst entlassen werden. Gegen ein qualifiziertes Auswahlverfahren sperren sich die 28 Damen und Herren nicht, wohl aber gegen die Konsequenz, die es für die Mittdreißiger hätte: nie wieder Aussicht auf einen Job in einer Pfarrstelle: "Das heißt doch für diejenigen, nach gut zwölf Jahren Studium und so weiter, noch einmal ganz von vorne anfangen zu müssen" - oder arbeitslos zu sein. Die Vikare fordern, sich nach dem Auswahlverfahren noch einmal bewerben zu können. Wartezeiten haben viele bereits in Kauf genommen, als es um eine Vikariatsstelle ging. Heute soll im Landeskirchenamt über das Auswahl-Verfahren entschieden werden, so Jochen Müller.

Bislang seien die Diskussionsversuche der Vikare mit den Entscheidungsträgern nicht sehr erfolgreich verlaufen. "Die schriftliche Diskussion hat nichts gebracht." Deshalb hätten sie nun die Form des öffentlichen Protestes gewählt, um auf ihre Situation und ihren Kompromissvorschlag aufmerksam zu machen.

Zum Hintergrund: Bereits seit fünf Jahren ist die Zahl der Vikariatsstellen der Evangelischen Kirche von Westfalen von 120 auf nunmehr 30 gesenkt worden. Das seien noch zehn mehr, als die Kirche Bedarf habe, so Müller. Und diesen drohe nun das endgültige Aus. Das Ausschluss-Verfahren könne allerdings darauf hinauslaufen, "dass es am Ende niemanden mehr für freie Pfarrstellen gebe". (NW, 13.04.00)


Demonstration vor dem Landeskirchenamt

Vikare fürchten um ihre Zukunft

Bielefeld (bp), Mit Slogans wie "Nachwuchs gefährdet ihren Tiefschlaf" protestierten gestern Vikare und Vikarinnen der evangelischen Landeskirche Westfalen vor dem Landeskirchenamt am Altstädter Kirchplatz gegen drohende Kündigungen beziehungsweise dagegen, dass sie nach Theologiestudium, oft jahrelanger Wartezeit und Vikariat anschließend auf der Straße stünden. Und zwar, so Vikarin Astrid Niemöller, "ohne dass wir uns auf individuelle Pfarrstellen bewerben können".

In einem zweifachen Auswahlverfahren würden die Theologen nach dem Examen geprüft und wer nicht "bestehe", der habe keine Chance auf Ordination. Und ohne diese förmliche Einsetzung in den Verkündigungsdienst, so die Vikarin, könnten sich die Theologen auch nicht im Ausland bewerben. Die Landeskirche plane, pro Jahr nur noch 20 Vikare in den kirchlichen Dienst zu übernehmen.

Astrid Niemöller betont, dass man die Bestrebungen der Kirche zu sparen, verstehen könne. Nicht verstehen könne man jedoch, dass es nur einseitig auf Kosten der jungen Generation gehen müsse. Nach Ansicht der Vikare ist das Auswahlverfahren völlig willkürlich.

Die evangelischen Vikare sind empört darüber, dass man sie "unter falschen Versprechungen" jahrelang habe studieren lassen, "nur um dann nach einer oft drei Jahre währenden Wartezeit zu sagen, dass die Hälfte der Hochschulabsolventen nicht gebraucht wird". Es sei ein Novum für die evangelische Kirche, dass junge Theologen auf die Straße gehen, um für ihre Interessen zu mobilisieren. Man demonstriere gegen die Personalpläne und für ein soziales Verhalten der Kirche - gestern mit Posaunenkonzert, Sketchen und Kuchen. (WB, 13.April 2000)

, 13.April 2000

Talare günstig abzugeben: Vikare der Landeskirche Westfalens demonstrieren vor dem Bielefelder Landeskirchenamt.